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Strom

Dunkelflauten in Deutschland: Risiko und Vermeidung

16. Dezember 2024

von Christoph Deutscher

Der Begriff Dunkelflaute stammt aus der Energiewirtschaft und setzt sich aus den Wörtern Dunkelheit und Windflaute zusammen. Er bezeichnet also einen Zustand bzw. einen Zeitraum, in dem sowohl Windkraftanlagen als auch Photovoltaikanlagen deutlich weniger bis gar keinen Strom produzieren, weil es zu wenig Wind und Sonnenlicht gibt. Die Abgrenzung zu einer kalten Dunkelflaute geschieht durch die Hinzunahme der kalten Jahreszeit. Tritt eine Dunkelflaute dann auf, wenn im Winter der Energieverbrauch sowieso schon erhöht ist, spricht man von einer kalten Dunkelflaute. 

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Die letzten Dunkelflauten in 2024

Die letzte Dunkelflaute in Deutschland ist gar nicht so lange her. Vor etwas mehr als einem Monat kam es in der Nacht vom 6. auf den 7. November 2024 zu einem bis in die Morgenstunden andauernden Einbruch der erneuerbaren Energieversorgung. Die Stromerzeugung aus Solaranlagen liegt nachts sowieso brach, aber auch die Windenergie zeigte sich von ihrer schwächeren Seite. Die Dunkelflaute Anfang November hielt allerdings nicht lange an. Bereits wenige Tage später hatte sich die erneuerbare Stromerzeugung wieder stabilisiert. Und nur eine Woche später nahm die Stromerzeugung aus Windenergie auch wieder deutlich mehr Fahrt auf. Aktuell werden solche Lücken wie Anfang November noch von anderen Kraftwerken aufgefangen, meistens von Kohle- und Gaskraftwerken. Auch wenn die Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie zwischenzeitlich deutlich niedriger ausfiel, gab es wohl keinen Grund zur Sorge, wie Bruno Burger vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme mitteilte: “Ein Blackout durch die Dunkelflaute […] habe Deutschland am Mittwoch [den 6.11.] aber nicht gedroht. Dafür haben wir ausreichend Kapazitäten.” Der Geschäftsführer des Energieanalyse-Unternehmens Energy Brainpool Tobias Federico widerspricht. Laut ihm sei zwischenzeitlich das Maximum an Strom produziert worden, das ohne Wind- und Solarkraft möglich ist. 

Ein Blick auf die Marktdaten des vergangenen Jahres kann diese Aussagen ein wenig einordnen: An besagtem 6. November betrug die gesamte realisierte Erzeugungsleistung konventioneller Kraftwerke etwa 750.000 MWh. Einen vergleichbaren Wert erreichten sie zuletzt zwischen dem 8. und 15. Januar dieses Jahres, als sie an drei aufeinanderfolgenden Tagen mehr als 950.000 MWh erzeugten. Außerdem: Die in Deutschland aktuell installierte Erzeugungsleistung in konventionellen Kraftwerken beträgt etwa 67.000 MW. 

  • Erdgas: ca. 36.000 MW 
  • Steinkohle: ca. 13.000 MW 
  • Braunkohle: ca. 18.000 MW 

Umgerechnet in Kilowattstunden entspricht das einer möglichen Stromerzeugung von ungefähr 1.500.000 MWh pro Tag, wenn die Kraftwerke rund um die Uhr mit voller Leistung laufen. In gewisser Weise sind also beide Aussagen nachvollziehbar, vor allem mit Blick auf die angestrebte Energiewende in Deutschland. Aktuell dürfte es aber noch genug konventionelle Reservekapazitäten geben, um Dunkelflauten und einen Ausfall von erneuerbaren Kraftwerken auszugleichen. Am 12. Dezember kam es zu einer weiteren kurz anhaltenden Dunkelflaute, die ebenfalls aufgefangen werden konnte.

Anfang November kam es in Deutschland zu einer wenige Tage andauernden Dunkelflaute.
Es gibt aktuell genügend Reservekapazitäten aus konventionellen Kraftwerken, um Dunkelflauten aufzufangen.

Simulationen und Prognosen

Anhand von Modellierungen und Simulationen lassen sich Prognosen darüber erstellen, wie oft Dunkelflauten im Durchschnitt auftreten und wie schwerwiegend die Auswirkungen sind. Das hat etwa Energy Brainpool in einer Studie von 2017 getan, in der der Wettereinfluss der Jahre 2006 bis 2016 auf das damalige Stromsystem untersucht wurde. Es wurde außerdem das Risiko für kalte Dunkelflauten ermittelt. Maßgebliches Kriterium der Studie war die maximale Residuallast aus Nachfrage und Wind- und Solarerzeugung in dem Zeitraum – also einfach gesagt die noch ungedeckte Restlast, die von anderen Kraftwerken aufgefangen werden muss. Die Analyse zeigte, dass besonders die zwei Wochen vom 23. Januar bis zum 6. Februar ein erhöhtes Risiko für kalte Dunkelflauten bergen. Außerdem komme es im Durchschnitt alle zwei Jahre zu einer zweiwöchigen Phase, in der die Residuallast den in der Studie modellierten Grenzwert von 70 GW überschreitet, es also zu einer Dunkelflaute kommt.  

Außerdem zeigt eine Datenauswertung des Deutschen Wetterdienstes von 2018, welche Bedeutung das Zusammenspiel aus Wind und Sonne für die deutsche Stromerzeugung haben kann. Die Forschungsfrage lautete, wie oft die mittlere Energieproduktion aus Wind und Sonne über einen Zeitraum von 48 Stunden unter zehn Prozent der Nennleistung blieb. Einfach gesagt: Wie oft kam es zu Dunkelflauten? Auch hier wurden Leistungsdaten aktueller Windkraftwerke und Photovoltaikanlagen (im Jahr 2018) zugrunde gelegt, mit folgendem Ergebnis: 

  • Betrachtet man nur Windkraftanlagen auf dem deutschen Festland trat dieser Fall im Mittel etwa 23 Mal im Jahr auf. 
  • Unter Hinzunahme der Off-Shore-Windkraftanlagen reduziert sich die Zahl auf etwa 13 pro Jahr. 
  • Wird außerdem Photovoltaik hinzugenommen reduziert sich die Zahl der Fälle weiter, auf 2 pro Jahr. 
  • Mit Blick auf ganz Europa seien es sogar nur noch 0,2 Fälle pro Jahr, in denen die Leistung unter zehn Prozent der Nennleistung blieb. 

Der damalige Vizepräsident des DWD kommentierte das Ergebnis: „Durch den kombinierten Einsatz von Windkraft an Land und auf See, Photovoltaik und einen europäischen Stromverbund können die Risiken durch Windflauten und sonnenscheinarme Phasen deutlich reduziert werden.“ 

Eine andere Forschungsarbeit, die im Juli 2019 publiziert wurde, bestätigt diese Erkenntnisse. Während im Sommer die Stromerzeugung aus Sonnenenergie deutlich wirkungsvoller ist, sei die Windenergie in der Lage, diesen Leistungsabfall im Winter im Großen und Ganzen zu kompensieren und so die Zahl von Low Power Events (also Dunkelflauten und kalte Dunkelflauten) zu reduzieren. Außerdem sorge ein Europäischer Stromverbund für eine deutliche Reduktion von Low Power Events, weil dadurch regionale Leistungsabfälle auch durch ausländische Kraftwerke aufgefangen werden kann. 

Mehrere voneinander unabhängige Studien kommen zu den gleichen oder zumindest sehr ähnlichen Ergebnissen: Eine Kombination aus Solar- und Windenergie kann das Risiko für Dunkelflauten erheblich reduzieren, bei den wetterabhängigen erneuerbaren Energien besteht aber trotzdem immer noch ein kleines Restrisiko. Lösungsvorschläge drehen sich um die Themen Reservekapazitäten in Form von wetterunabhängigen Kraftwerken oder Speichern und um ein gemeinsames europäisches Verbundsystem. Durch den bestehenden gemeinsamen europäischen Strommarkt kommt es schon lange zu Stromimporten und –exporten zwischen Ländern. Das ist also keine neue Idee. Auch wenn das Risiko von regionalen Dunkelflauten besteht, ist es in Bezug auf ganz Deutschland – und vor allem auf ganz Europa – kein unlösbares Problem, vor allem, weil durch den europäischen Stromverbund sowieso ein internationaler Strommarkt vorhanden ist. Bei regionalen Dunkelflauten kann also Strom aus Nachbarländern importiert werden. Dass die europäische Stromversorgung durch eine überregionale Dunkelflaute lahmgelegt wird, ist dagegen eher unwahrscheinlich. Unabhängig davon sind großflächige Dunkelflauten sowieso ein äußerst selten auftretendes Phänomen.

Pumpspeicherkraftwerke sollen eine Möglichkeit sein, wie Dunkelflauten in Zukunft mit Erneuerbarer Energien aufgefangen werden. (Quelle: Pixabay)

Historische Dunkelflauten und Erneuerbare Energien als Problemlöser

Anfang November kam es zu einigen Tagen mit sehr wenig Wind und sehr wenig Sonne, mit dem Tiefpunkt in der Nacht vom 6. auf den 7. November. Auch vor dem 6. November 2024 muss man nicht lange suchen, um ein früheres Ereignis zu ermitteln: Das Letzte ist Anfang Dezember 2023 zu verorten. Auch dort kam es zu wenigen aufeinanderfolgenden Tagen mit deutlich reduzierter Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Noch ein Jahr früher, Mitte Dezember 2022, kam es ebenfalls zu mehreren fast komplett windstillen und bewölkten Tagen. In dieser Zeit wurden konventionelle Kraftwerke hochgefahren, um die Stromversorgung zu sichern. Außerdem zeigen die Marktdaten aus diesem Zeitraum, dass die realisierte Stromerzeugung in Deutschland an diesen Tagen von den Tagen unmittelbar vorher und nachher deutlich abweicht. Mit anderen Worten: Zwischen dem 30. November und 2. Dezember wurde entweder mehr Strom aus dem Ausland importiert als normalerweise oder der notwendige Strom kam aus Stromspeichern. So oder so war die Stromversorgung aber gesichert. 

Ebenso kam es im späten Januar 2023 zu einigen Tagen, an denen die Stromversorgung aus Wind und Sonne deutlich niedriger war und durch konventionelle Kraftwerke und Importe aufgefangen werden musste. Ein weiteres Beispiel ist schon etwas länger her: Im Januar 2017 speisten Windkraftwerke und Solaranlagen zeitweise weniger als 10 Prozent ihrer Gesamtleistung ins Stromnetz ein. Der Großteil der deutschen Stromerzeugung stammte aus Gas-, Kohle- und Kernkraftwerken. Gefahr eines Blackouts bestand damals trotzdem nicht. 

Insgesamt soll es etwa alle zwei Jahre zu einer extremen Dunkelflaute kommen, die auch das Risiko von Versorgungsengpässen birgt. Besonders, wenn die Stromversorgung volatiler wird und größeren Schwankungen und äußeren Einflüssen unterliegt. Da die Zahl der Gas- und Kohlekraftwerke in Deutschland nach und nach reduziert werden soll, braucht es auch eine Lösung, wie in Zukunft mit Dunkelflauten umgegangen wird, ohne sich vollständig auf Stromimporte zu verlassen. Es gibt bereits erneuerbare Möglichkeiten einer zuverlässigen Stromerzeugung als Reservekapazität in Form von Biomasse und Wasserkraft. Auch Pumpspeicherkraftwerke (Stauseen) können hier dazugezählt werden, da sie eine Möglichkeit bieten, erneuerbaren Strom zu speichern. Aktuell machen diese drei Varianten aber nur einen kleinen Anteil (etwa 10 Prozent) der gesamten installierten Erzeugungsleistung in Deutschland aus: 

  • Biomasse: ca. 8.500 MW 
  • Wasserkraft: ca. 5.100 MW 
  • Pumpspeicherkraftwerke: ca. 9.400 MW 

Um in Zukunft zuverlässig Dunkelflauten zu kompensieren, werden diese Rolle in Zukunft wohl eine größere Rolle spielen. Andererseits denkt die Bundesregierung auch über Wasserstoff nach. Bis 2030 sollen zehn Gigawatt Elektrolysekapazität entstehen, was für etwa 30 bis 50 Prozent des deutschen Wasserstoffbedarfs ausreichen soll. 

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