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Strom

Nervig, nötig … nachhaltig? E-Scooter unter der Lupe

17. März 2022

von Michel Vo

Immer häufiger sind sie auf Deutschlands Straßen anzutreffen: Ob auf dem Weg zur Arbeit, beim Schnelleinkauf oder schlichtweg zum Vergnügen, etliche Menschen düsen jeden Tag auf E-Scootern durch die Stadt. Diese sind nicht nur leicht und wendig, sondern auch elegant, stylish und einfach cool. Niedriger Kraftaufwand gepaart mit hohem Fahrspaß – damit können Roller mit Elektroantrieb vielerorts punkten. Legal ist deren Benutzung im Straßenverkehr hierzulande seit dem 15. Juni 2019.

Was ist ein E-Scooter?

E-Scooter sind sogenannte Elektrokleinstfahrzeuge – dazu gehören etwa auch Hoverboards, Monowheels und E-Skateboards. Im Gegensatz zu diesen Fortbewegungsmitteln besitzen E-Scooter allerdings eine Lenkstange, deswegen fallen sie ebenso wie Segways unter die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV).

Oftmals auch E-Tretroller, Elektro-Tretroller oder E-Stehroller genannt, gilt für sie ein Mindestfahralter von 14 Jahren; einen speziellen Führerschein braucht man allerdings nicht. Dennoch verlangt ihre präzise Handhabung etwas Übung, wichtig ist zudem die genaue Befolgung der Verkehrsregeln. E-Scooter sind auf Gehwegen tabu, stattdessen gehören sie auf Radwege oder eine normale Straße. Die erlaubte Höchstgeschwindigkeit liegt bei 20 km/h.

Die Zulassung von E-Scootern wurde allerdings nicht überall mit Wohlwollen aufgenommen, und auch heute noch sind die rasanten Flitzer vielen Verkehrsteilnehmern ein Dorn im Auge. Elektrische Tretroller gelten als unsicher, ihre Fahrer als rücksichtslos und ihre Abstellorte als fußwegblockierendes Hindernis.

Kontrovers diskutiert wird allerdings auch die Nachhaltigkeit von Elektro-Scootern, dabei war gerade dies eigentlich eines der Hauptargumente für deren Zulassung. Eine emissionsarme und umweltschonende Alternative zum Auto, idealerweise sogar eine Antwort auf Luftverschmutzung und Parkplatznot – so zumindest die anfänglichen Hoffnungen.

Doch wie nachhaltig sind die Produktion und der Betrieb von E-Scootern wirklich? Welche Rolle können sie bei der Verkehrswende einnehmen? Und gelingt mit ihnen vielleicht doch die Mobilität der Zukunft? Wir haben einen genaueren Blick auf die hippen Elektroroller geworfen und beantworten Ihnen hier alle wichtige Fragen.

1. Wie beliebt sind E-Scooter?

E-Scooter haben sich nach nur kurzer Zeit in unserem Verkehrsleben etabliert, schon im Herbst 2019 waren mehr als 50.000 Elektroroller auf deutschen Straßen unterwegs – ein Großteil davon als Teil der Flotte eines E-Scooter-Verleihs wie etwa Voi, Lime, Circ, Tier, Bird und Uber Jump. Neuere Zahlen gibt es seitdem noch nicht, denn diese wären aufgrund der Coronakrise kaum aussagekräftig. Durch das allmähliche Abflauen der Pandemie kann aber davon ausgegangen werden, dass der Betrieb von E-Tretrollern wieder stark zunehmen wird.

Am beliebtesten sind E-Scooter in Berlin, Ende 2019 gab es in der Bundeshauptstadt etwa 11.000 Elektroroller. Vielfach vertreten sind die modischen Scooter auch in Hamburg (ca. 7.500 Exemplare), Köln (ca. 6.400), München (ca. 5.400) und Frankfurt am Main (ca. 4.300). Insgesamt finden sich Elektroroller in mehr als 50 deutschen Städten.

Gleichzeitig muss aber auch erwähnt werden: Im Vergleich zu anderen Fahrzeugen stellt das eine vernachlässigbare Zahl dar. Auf jeden E-Scooter kommen hunderte Autos, aktuell sind in Deutschland fast 50 Millionen Pkw zugelassen.

2. Wie gut ist die Infrastruktur für E-Scooter ausgebaut?

Schon jetzt gibt es zu wenige Radwege oder Radschutzstreifen, und zu allem Überfluss sind diese oftmals zu schmal bemessen. Die Folge: Radfahrer und Nutzer von E-Scootern müssen auf die Straße ausweichen oder nutzen vorschriftswidrig Fußgängerwege.

Das ist nicht nur nervig für andere Verkehrsteilnehmer, sondern mitunter auch gefährlich: Jedes Jahr sind tausende Unfälle zu verzeichnen, in Einzelfällen gar mit Todesfolge. Auch für Fußgänger stellen E-Scooter-Fahrer ein ernstzunehmendes Risiko dar, zumal die Elektroroller fast geräuschlos sind und leicht überhört werden können.

Problematisch ist zudem das Abstellen der Scooter, denn separate Parkzonen gibt es in der Regel nicht. In der Praxis werden E-Stehroller daher häufig schlichtweg auf dem Gehweg deponiert – zum Unmut aller Passanten. Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, spricht sogar von einem „Rollermikado in öffentlichen Räumen“.

Wird für dieses Problem keine Lösung gefunden, so würde auch das Zufußgehen unattraktiver. Das wäre fatal, denn die eigenen Beine sind immer noch das umweltfreundlichste Fortbewegungsmittel.

3. Sind E-Scooter emissionsfrei?

Ja und nein. Das Fahren mit einem E-Scooter verursacht in der Tat keine Emissionen, da dieser vollelektrisch betrieben wird und daher keine Abgase ausstößt. Das heißt aber bei weitem nicht, dass Elektroroller keinen CO2-Fußabdruck besitzen.

Das fängt schon beim Aufladen der Fahrzeuge an, denn der hierfür nötige Strom muss natürlich erst produziert werden. Aktuell setzt sich der deutsche Strommix nur zu etwa 45 Prozent aus erneuerbarer Energie zusammen, der Rest wird aus fossilen Quellen gewonnen. Wer seinen E-Scooter also mit konventionell gewonnener Elektrizität auflädt, agiert nicht mehr klimaneutral.

Viele E-Scooter-Anbieter haben sich deshalb dazu verpflichtet, ihre Fahrzeugflotte ausschließlich mit Ökostrom aufzuladen. Problematisch hierbei ist jedoch: Die ausgeliehenen Geräte werden von den jeweiligen Anbietern über Nacht von sogenannten „Juicern“ wieder eingesammelt und aufgeladen – die hierfür nötigen Fahrzeuge können allerdings zusätzliche Abgase verursachen.

Einige Anbieter wollen daher ausschließlich elektrisch betriebene Transporter oder E-Lastenräder für ihre Juicer-Flotte verwenden. Mittlerweile gibt es zudem auch viele Rollermodelle mit austauschbaren Akkus: Zum Aufladen muss dann nur noch der Akku und nicht der gesamte Scooter bewegt werden. Selbst dann sind Elektroroller aber noch nicht vollständig emissionsfrei, denn auch deren Herstellung ist mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt verbunden.

4. Wie nachhaltig ist die Produktion eines E-Scooters?

Die Produktion eines E-Scooters geht mit starker Umweltbelastung einher. Besonders ins Gewicht fällt hierbei die Herstellung der Akkus. Es werden normalerweise Lithium-Ionen-Akkus verwendet, für die zahlreiche kritische Rohstoffe vonnöten sind.

Lithium etwa wird häufig aus Salzseen gewonnen, was einen großen Wasserverbrauch verursacht. Ein weiteres wichtiges Mineral ist zudem Kobalt – dessen Abbau ist schädlich für Mensch und Umwelt. Bemängelt werden unter anderem kontaminiertes Grundwasser, massiver Staubausstoß und Fischsterben, hinzu kommen Menschenrechtsverletzungen wie Kinderarbeit.

Die Verarbeitung aller Rohstoffe geschieht oftmals in chinesischen Fabriken, die wiederum vorwiegend mit Kohlestrom betrieben werden. Die fertig produzierten Akkus müssen dann in die Zielländer verschifft werden, was die Umweltbilanz zusätzlich verschlechtert. Genaue Zahlen liegen nicht vor, bei Akkus für Pedelecs entstehen aber pro Exemplar ca. 27,5 bis 37,5 kg an CO2-Emissionen.

5. Was kann ich tun, um die Lebensdauer eines E-Scooters zu erhöhen?

Erste Studien legen nahe, dass bei einem Pedelec die Emissionen der Akkuproduktion nach 150 bis 300 Kilometern „beglichen“ sind, wenn dieses anstatt eines Autos verwendet wird. Ähnlich dürfte es sich bei E-Scootern verhalten. Experten gehen davon aus, dass ein Akku mindestens 500 bis 1000 Ladezyklen überlebt, was einer Lebensdauer von einem bis drei Jahren entspräche. Manche Untersuchungen aus den USA ergaben allerdings eine tatsächliche Nutzungsdauer von nur einigen Monaten. E-Scooter-Verleiher sprechen hingegen von einer Lebensdauer von bis zu fünf Jahren – diese Angaben können jedoch nicht unabhängig überprüft werden.

Wichtig ist deswegen ein schonender Umgang mit dem Gerät. Für einen privat gekauften E-Scooter gilt: Dieser sollte am besten immer vollständig aufgeladen werden. So lässt sich die Lebensdauer eines Akkus maximieren. Wichtig ist zudem, dass der Roller bei gemäßigten Temperaturen gelagert wird. Sowohl Frost als auch Hitze wirken sich negativ auf den Akku aus, daher sollte er am besten nicht im Freien abgestellt werden. In jedem Falle sollte sorgsam mit einem E-Scooter umgegangen werden; das gilt dann auch für alle, die einen Scooter nur auf Leihbasis nutzen. Gerade solche Leihroller werden oftmals an erstbester Stelle abgestellt, wo sie leicht beschädigt werden können, oder einfach „hingeschmissen“.

6. Wie entsorge ich einen E-Scooter fachgerecht?

E-Scooter sind reguläre Elektroaltgeräte und gehören deshalb nicht in den Hausmüll. Stattdessen sollten sie bei einem Wertstoffhof entsorgt werden, in manchen Kommunen ist auch eine kostenfreie Altgeräteabholung möglich. Größere Elektromärkte nehmen zudem zumindest dann einen alten E-Scooter an, wenn anschließend ein neues Gerät erworben wird.

Wichtig: Wenn möglich, sollten Verbraucher den Akku zuvor herausnehmen. Eine falsche Beseitigung ist nicht nur umweltschädlich, sondern kann auch andere Menschen gefährden, denn Lithium ist sehr leicht brennbar. Achten Sie also auf eine fachgerechte Entsorgung!

Gesetzlich ist ein Lithium-Ionen-Akku als Industriebatterie klassifiziert, Händler von Industriebatterien müssen den Akku deshalb entgeltfrei annehmen. Auch hier gilt zudem: Mit einer Entsorgung bei einem Wertstoffhof können Sie normalerweise nichts falsch machen. Fragen Sie am besten im Vorfeld nach!

7. Wie können E-Scooter sinnvoll in eine grüne Verkehrswelt integriert werden?

Diverse Umfragen zeigen: E-Scooter werden aktuell größtenteils zum Vergnügen verwendet. Im Vordergrund stehen Fahrspaß und Neugierde: 75 Prozent aller Nutzer verwenden Elektroroller in der Freizeit, weitere 12 Prozent schlichtweg zum Ausprobieren. Fahrten zur Arbeit (ca. 3%) oder die Erledigung von Einkäufen (ca. 4%) spielen hingegen nur eine Nebenrolle.

Deswegen reduzieren E-Scooter momentan kaum den CO2-Ausstoß, denn Autofahrten ersetzen sie fast nie. Untersuchungen zeichnen ein eindeutiges Bild – anstatt eines Elektrorollers hätten Nutzer nur in Ausnahmefällen einen Pkw benutzt (ca. 4%). Normalerweise wäre die Wegstrecke nämlich mit ohnehin umweltfreundlichen Mitteln wie dem öffentlichen Personennahverkehr (ca. 27%) oder gar dem Gang zu Fuß (ca. 53%) zurückgelegt worden.

Solange Elektroroller also als reines Spaßinstrument gelten, dürfte deren Einfluss auf eine grünere Verkehrswelt überschaubar sein. Das Umweltbundesamt urteilt daher knallhart: „Elektrische Tretroller, wie sie aktuell in Innenstädten zum Verleih angeboten werden, sind zurzeit kein Gewinn für die Umwelt.

Sind E-Scooter also nur eine effektlose Modeerscheinung? Nicht zwangsläufig! Experten betonen: E-Scooter müssen sinnvoll in sogenannte Wegeketten integriert werden, zum Beispiel bei der Bewältigung der „letzten Meile“. Damit sind kleinere Wegstrecken zu Beginn oder zum Ende einer größeren Strecke gemeint, etwa der Weg von Zuhause zum Bahnhof. Anstatt mit dem Auto zu fahren, können Nutzer hierfür in Zukunft idealerweise einen Elektro-Scooter verwenden.

Damit solche E-Mobilität gelingt, bedarf es aber einer besseren Radinfrastruktur und gesonderten Parkräumen. Angeregt wird zudem die vermehrte Einrichtung von „Mobilitätsstationen“ an Bahnhöfen, wo Nutzern verschiedene umweltfreundliche Optionen für die Bewältigung von Kurzstrecken zur Verfügung gestellt werden. So kann langfristig auch dank E-Scootern die Verkehrswende gelingen.

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