Wofür gibt es inzwischen eigentlich noch keine KI? Vielerorts versprechen Künstliche Intelligenzen, Arbeitsabläufe zu vereinfachen und zu beschleunigen, da ist es doch mit Sicherheit auch möglich, eine KI im Stromnetz einzusetzen. Besonders mit den neuen Belastungen und Herausforderungen, die durch die Integration von erneuerbaren Energien in das Stromnetz auftreten. Welche Anwendungsfelder für KI ergeben sich also im deutschen Stromnetz und der deutschen Stromversorgung?
Es gibt viele Forschungsprojekte im Zusammenhang mit Künstlichen Intelligenzen und dem deutschen Stromnetz und eine häufige Frage ist, welche Auswirkungen KI auf das Stromnetz haben kann.
Dass solche Projekte nicht von heute auf morgen Ergebnisse liefern, ist klar. Es kann teilweise Jahre dauern, bis so eine Studie verlässliche Daten liefert, um eine fundierte Theorie zu erstellen und Ergebnisse zu präsentieren. Ein Forschungsprojekt der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung Konstanz in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, dem International Solar Energy Research Center Konstanz und Energieunternehmen in und um Konstanz begann beispielsweise im September 2020 und endete im Dezember 2023. Zentraler Hintergrund des Forschungsprojektes AI4Grids war der in den kommenden Jahren bevorstehende erwartete Anstieg des Strombedarfs und Stromverbrauchs und die Frage, wie die viele neue Erzeuger und Verbraucher effizient ins Mittel- und Niederspannungsnetz integriert werden können. Um ein stabiles Stromnetz zu gewährleisten, braucht es ein Gleichgewicht zwischen Stromerzeugung und Stromverbrauch. Ansonsten drohen Engpässe und eine Netzüberlastung und es kann zu Stromausfällen oder sogar Blackouts kommen.
Bei der schwer planbaren, unregelmäßigen und dezentralen Stromerzeugung durch erneuerbare Energien und dem Dazukommen von flexiblen neuen Verbrauchern wie Wärmepumpen und Elektrofahrzeugen wird es schwerer, Erzeugung und Verbrauch in Einklang zu bringen und dieses Gleichgewicht auch zu erhalten. Als eine Lösung für dieses Problem sieht die Studie auf KI basierende Algorithmen, die die Planung und Betriebsführung von Stromnetzen auf Verteilnetzebene unterstützen sollen. Konkret geht es dabei um einen von einer KI gesteuerten Regler, der das Herzstück eines intelligenten Stromnetzes sein soll und dieses überwacht. Die Künstliche Intelligenz soll alle Informationen über das Niederspannungsnetz abrufen können, um in Echtzeit zu erkennen, ob das Netz stabil ist oder ob Handlungsbedarf besteht. So soll die KI sofort Maßnahmen ergreifen können, um hohe Netzbelastungen auszugleichen und die Stabilität wiederherzustellen.
Im Rahmen der Studie wurde die KI permanent mit Netzdaten gefüttert, damit sie jeden Tag dazulernte. So könne sie die vielen Daten bewältigen und die richtigen Entscheidungen treffen, um das Stromnetz zu stabilisieren. Grundvoraussetzung für alles, was die KI macht, sollte aber immer sein, dass alle Verbraucher immer mit Strom versorgt sind. Die KI darf das Netz also nicht auf Kosten der Verbraucher stabilisieren. Dass die Studie aussichtsreich ist, zeigte sich besonders auf dem abschließenden Symposium und in der breiten Zustimmung, dass KI-Systeme Schlüsseltechnologien sind, um Stromerzeugung und Stromverbrauch zukünftig in Einklang zu bringen.
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Das Forschungsprojekt AI4Grids ist nicht die einzige Studie, die die Aufrechterhaltung des Stromnetzes und den Netzbetrieb mit Künstlicher Intelligenz verbindet und wird auch nicht die letzte sein. Weltweit widmen sich Forschungsgruppen der Frage, welche Rolle Künstliche Intelligenz einnehmen kann, um die Stromnetze auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten. Dabei stehen verschiedene Aspekte des Netzbetriebs im Fokus – sowohl die Reaktion auf Überlastungen und Stromausfälle als auch der reguläre Netzbetrieb und die Aufrechterhaltung eines Gleichgewichts zwischen Stromerzeugung und Stromverbrauch.
Eine andere Studie an der University of Texas at Dallas hat sich einer sehr ähnlichen Frage gewidmet. Darin geht es um die Möglichkeiten, in Smart Grids möglichst schnell auf drohende Stromausfälle und Engpässe zu reagieren. In diesem Fall sollen ebenfalls intelligente Kontrollsysteme die Antwort sein. Mithilfe von Reinforcement Learning (Verstärkendes Lernen bzw. Bestärkendes Lernen), sollen sie trainiert werden, um die Widerstandsfähigkeit von Verteilernetzen zu erhöhen, mit besonderem Fokus auf Smart Grids. In der Studie sprechen die Forschenden konkret von „Self-healing Smart Grids“, die sich vor allem durch ihre intelligenten Kontrollsysteme mit schneller Reaktionszeit auszeichnen. Sie sollen in der Lage sein, zu erkennen, wann ein Stromausfall bevorsteht oder wenn Leitungen defekt sind und innerhalb von Sekundenbruchteilen reagieren.
Die Forschenden ergänzen aber auch, dass die KI aktuell noch nicht komplett eigenständig arbeiten kann und noch von Menschen gesteuert werden muss. Deswegen dauert es teilweise noch mehrere Minuten bis Stunden, bis ein solches Problem behoben ist. Außerdem brauche es noch weitere Forschung, bis dieses System tatsächlich flächendeckend einsatzbereit ist. Darüber hinaus hat das Forschungsteam auch noch das Ziel, die KI nicht nur für die Vermeidung von Stromausfällen einzusetzen, sondern ähnliche Technologien für die Reparatur und Wiederherstellung des Netzes nach einer Versorgungsunterbrechung zu entwickeln.
Das Projekt KI Grid der Universität und Fachhochschule Bielefeld verfolgt das gleiche Ziel, wie die anderen beiden Forschungen: Eine KI, die in der Lage ist, das Stromnetz zu steuern und an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen und Stromverbrauch und -erzeugung aufeinander abzustimmen. Neben den erneuerbaren Energien liegt einer der Forschungsschwerpunkte dabei vor allem auf dem Energieverbrauch und dem größer werdenden Verbrauchspunkt Elektromobilität. Laden mehrere Personen ihr Elektrofahrzeug auf dem eigenen Grundstück bzw. an einem eigenen Ladepunkt, führt das zu einer hohen Netzauslastung, wodurch Netzausfälle wahrscheinlicher werden. Um dem entgegenzuwirken, arbeiten die Forschenden an Möglichkeiten, den Netzzustand auf Niederspannungsebene zu bestimmen, um Überlastungen rechtzeitig vorhersagen zu können, ohne dabei sensible Personendaten zugänglich zu machen. Informationen darüber, wann Haushalte aufwachen, zur Arbeit fahren oder Home-Office machen, im Urlaub sind oder Haushaltsgeräte nutzen, sollen vom System schon vorher verarbeitet und nur verschlüsselt übertragen werden. Die KI soll in der Lage sein, den aktuellen Zustand eines lokalen Stromnetzes abzuschätzen und vorherzusehen, wie er sich verändert.
Parallel zu diesem Modell arbeitete die Forschungsgruppe außerdem an einer intelligenten Ladesäule, die die notwendigen Daten über das Energienetz bereitstellt. Ausgehend von diesen Daten soll die KI elektrische Komponenten steuern können, sodass zum Beispiel Elektrofahrzeuge nicht abends mit voller Leistung geladen werden, sondern der Ladevorgang über die ganze Nacht verteilt wird, damit es am nächsten Morgen einsatzbereit ist. Auf diese Weise sollen Verbrauchsspitzen vermieden und ein gleichmäßigerer Stromverbrauch gewährleistet werden. Parallel zu dieser Forschung arbeiteten Teile der Forschungsgruppe auch an einem weiteren Projekt mit dem Namen Power2Load. Dahinter versteckt sich die Idee, die Menge an erneuerbarem Strom beim Laden von Elektrofahrzeugen an Ladesäulen zu maximieren, indem mithilfe einer KI die Einspeisung von Solarstrom vorhergesagt wird. Sie haben eine Anlage entwickelt, die gleichzeitig sechs Fahrzeuge aufladen kann, wobei die verfügbare Leistung auf alle sechs Fahrzeuge aufgeteilt wird. Dieses Modell soll laut der Forschungsgruppe besonders in Unternehmen Anwendung finden und sowohl die strombetriebenen Dienstwagen als auch die privaten Elektrofahrzeuge von Angestellten laden. Außerdem soll es dadurch möglich sein, die optimierten Ladevorgänge an das Lastprofil der Unternehmen anzupassen und Ladespitzen zu vermeiden. Das sorgt wiederum dafür, dass das lokale Stromnetz stabiler bleibt und nicht überlastet. Dadurch soll die Herausforderung einer Stromversorgung durch erneuerbare Energien insgesamt einfacher zu bewältigen sein.
Das Forschungsprojekt „GridAnalysis – KI-basierte Netzsimulation“ unter der Führung der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes begann 2020 ein vergleichbares Forschungsprojekt, dessen Ergebnisse im Februar 2022 auf einem Symposium in Graz vorgestellt wurden. Die Forschung beschäftigte sich vor allem mit dem Monitoring der Lastflussberechnung und der Netzzustandsschätzung in Niederspannungsnetzen. Die Ergebnisse zeigen, dass die KI-basierte Netzzustandsschätzung und Lastflussberechnung eine sehr hohe Genauigkeit aufweist und darüber hinaus auch nur einen Bruchteil der Rechenzeit des anwenderorientierten Netzberechnungsprogramms ATPDesigner benötigt.
Die Forschung an Künstlichen Intelligenzen im Netzbetrieb von Stromnetzen und künstlichen neuronalen Netzen ist schon seit einigen Jahren im Gange und wird auch in den kommenden Jahren Forschende an Universitäten und Hochschulen weltweit beschäftigen. Die bisherigen Forschungsergebnisse zeigen aber bereits, dass Künstliche Intelligenzen in naher Zukunft durchaus eine relevante Rolle im Netzbetrieb einnehmen können – zumindest vorerst in kleineren Dimensionen.
Der größte Vorteil, der sich in allen Studien zeigt, ist die Arbeitsgeschwindigkeit und Reaktionsgeschwindigkeit von Künstlichen Intelligenzen, die beide nur einen Bruchteil des bisher möglichen menschlichen Arbeitstempos betragen. Ein weiterer Vorteil von künstlichen Intelligenzen liegt darin, die Einspeisung durch erneuerbare Energien zuverlässiger und in Echtzeit vorhersagen zu können. Dadurch kann der Stromverbrauch von Geräten an die Stromerzeugung angepasst werden und Verbraucher können stärker von dynamischen Strompreisen profitieren. Bis Künstliche Intelligenzen tatsächlich flächendeckend Einsatz im Stromnetz und der Stromversorgung finden, wird aber vermutlich noch ein bisschen Zeit vergehen. Zumindest das Smart Meter Rollout ab 2025 ist schon mal ein erster und wichtiger Schritt, um das bestehende Stromnetz zu einem Smart Grid zu machen.