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Strom

Marktupdate Mai: Das endgültige Atomkraft-Aus

9. Mai 2023

von Anne Härtling

Im April 2023 sind die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz gegangen. Damit ist Deutschland nach kurzzeitiger Verlängerung nun kernkraftfrei. Wir beleuchten, was das für die Stromversorgung bedeutet und welche Konsequenzen dieser Schritt außerdem hat.

Die letzten Atomkraftwerke sind vom Netz gegangen

Nach rund 62 Jahren verabschiedete sich Deutschland am 15. April von den letzten drei Atomkraftwerken. Die Meiler Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 sollten eigentlich schon zum 31. Dezember 2022 vom Netz gehen, ihre Laufzeit wurde aber im vergangenen November verlängert. Grund dafür waren Erwägungen der Energieversorgungssicherheit.

Der Krieg in der Ukraine hat in Deutschland und Europa eine Energiekrise ausgelöst, die dazu führte, dass kein Gas mehr aus Russland importiert wurde. Um die Energieversorgung in Deutschland im Winter 2022/2023 sicherzustellen, hat sich der Bundestag im November 2022 für eine Laufzeitverlängerung der verbleibenden drei Atomkraftwerke ausgesprochen.

Auch die Versorgungslage in Frankreich hat einen Teil zur Laufzeitverlängerung beigetragen. Dort wurden seit Ende 2021 immer wieder einzelne Atomkraftwerke vom Netz genommen, weil Mängel bestanden, die die Sicherheit der Kraftwerke beeinträchtigten. Aufgrund dessen hat Frankreich im Jahr 2022 so wenig Strom produziert wie seit 30 Jahren nicht mehr. Das Nachbarland war daher auf Stromimporte – auch aus Deutschland – angewiesen.

Die Hintergründe

Der Atomausstieg wurde im Jahr 2011 als Reaktion auf die Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima vom Bundestag beschlossen. Seitdem wurden die bestehenden Atomkraftwerke nach und nach abgeschaltet und vom Netz genommen.

Nach der Abschaltung der Reaktoren ist der Prozess aber nicht abgeschlossen. Sobald das AKW keinen Strom mehr produziert, beginnt der Stilllegungsprozess, der letztlich in den vollständigen Rückbau münden soll. Dieser Prozess dauert etwa zehn bis 15 Jahre.

Was bedeutet der Ausstieg für die Stromversorgung?

Mit der Abschaltung der letzten Atomkraftwerke gehen in Deutschland große Erzeugungskapazitäten verloren, die durch andere Energiequellen ausgeglichen werden müssen. Bis zur Abschaltung am 15. April hat das niedersächsische AKW Emsland allein in diesem Jahr rund zwei Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt. Nach Angaben des Betreiberunternehmens entspreche dies dem Jahresstrombedarf von etwa 500.000 Haushalten.

Auch das Kraftwerk Neckarwestheim 2 soll bis zu ihrer Abschaltung noch etwa 1,7 Milliarden Kilowattstunden Strom produziert haben. Die Anlage Isar 2 in Bayern produzierte pro Jahr sogar 11 Milliarden Kilowattstunden Strom. Insgesamt deckten allein diese drei Kraftwerke bereits 6,5 Prozent des bundesweiten Stromverbrauchs – eine beträchtliche Zahl, aus der aber auch ersichtlich wird, dass Atomkraft im deutschen Strommix nur noch eine untergeordnete Rolle spielte.

Dennoch ist unklar, inwiefern die Abschaltung der Kernkraftkapazitäten die Versorgungssicherheit gefährdet. Aktuell können die wegfallenden Kilowattstunden aus den Kernkraftwerken unter anderem durch Zukäufe aus Nachbarländern wie Frankreich oder Polen gedeckt werden. Solange diese Option offen steht, dürfte die Gefahr eines Versorgungsengpasses minimal sein – anders sieht es aber aus, wenn wichtige Handelspartner den Stromexport aufgrund eigener Energieknappheiten aussetzen. Gerade in den heizintensiven Wintermonaten ist das nicht ausgeschlossen, da Wind- und Solarkraftwerke zu diesen Jahreszeiten auch weniger Strom einspeisen. Wie sich all dies auf die Versorgungssicherheit auswirkt, muss in den kommenden Monaten beobachtet werden.

Steigen nun die Strompreise?

Eine berechtigte Frage: Wirkt sich der Atomausstieg auf die Strompreise aus? Aus rein marktwirtschaftlicher Perspektive ergibt es Sinn, dass eine Verknappung des Angebots zu steigenden Preisen führt. Es wird weniger Strom erzeugt, der vorhandene Strom müsste also teurer werden. In der Tat hat etwa E.ON bereits parallel zur AKW-Abschaltung seine Strompreise erhöht, allerdings war der Stromgigant auch für den Betrieb von Isar 2 zuständig. Es ist also unklar, ob E.ON repräsentativ für den deutschen Energiemarkt steht.

Aktuell sind keine flächendeckenden Preissprünge zu beobachten. Dennoch bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich die Marktsituation mittelfristig entwickelt. Es ist aber auch gut möglich, dass das Preisniveau stabil bleibt, denn die Versorgungsunternehmen hatten ausreichend Zeit, sich auf die neue Situation einzustellen. Außerdem kaufen die großen Stromversorger ihren Energie ohnehin lange Zeit im Voraus ein – an der Energiebörse werden jetzt also bereits Strommengen gehandelt, die erst in einigen Jahren tatsächlich ausgeliefert werden.

Einen Nachteil hat der Ausstieg aber dennoch. Atomstrom galt immer als sehr zuverlässig und kostengünstig, vor allem in Zeiten hohen Stromverbrauchs, und hat damit die Versorgungssicherheit in Krisenzeiten gestützt. Außerdem waren die Erzeugungskosten immer vergleichsweise gering und vor allem konstant. Umso wichtiger ist es also, den Ausbau der erneuerbaren Energien schnell voranzubringen, um die weggefallenen Kapazitäten günstig und umweltschonend auszugleichen.

Kritik am Atom-Aus

Politisch wurde der Atomausstieg in den vergangenen Jahren immer umstrittener betrachtet. Auf der einen Seite stehen die Sicherheitsbedenken, die 2011 zum Ausstiegsbeschluss geführt haben, auf der anderen Seite loben Befürworter aber auch die Zuverlässigkeit der Atomkraft im Zusammenhang mit der Energiewende. Im Gegensatz zu Erdgas- oder Kohlekraftwerken gelten Atomkraftwerke als emissionsfreie Energieproduzenten.

Die Argumentation ist durchaus nachvollziehbar, wenn man sich vor Augen hält, dass nun unter Umständen die Kapazitäten in Kohlekraftwerken wieder hochgefahren werden müssten, um den Wegfall der Kernkraft auszugleichen. Im Sinne des Klimaschutzes und der Energiewende kann ein solches Vorgehen nicht sein. Im Ergebnis ist dies also noch ein Grund mehr, den Ausbau der erneuerbaren Energien schneller voranzutreiben.

Kartellamt plant Ermittlungen gegen Energieversorger

Seit März gelten die Preisbremsen für Strom und Gas, um Haushalte und Gewerbe bei den Energiepreisen zu entlasten. Seitdem gehen beim Bundeskartellamt aber auch vermehrt Beschwerden über die gestiegenen Energiekosten ein – Behördenchef Andreas Mundt spricht von einer vierstelligen Zahl an Beschwerden. Die Behörde plant nun Ermittlungen, um Klarheit darüber zu schaffen, welche Versorger ihre Tarife deutlich über die Preisgrenzen gelegt haben, um in möglichst großem Umfang von den staatlichen Entlastungen zu profitieren.

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