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Strom

Olympische Spiele 2022: Wie nachhaltig sind sie wirklich?

18. Februar 2022

von Michel Vo

Es ist wieder so weit: Abermals konkurrieren Wintersportler aus aller Welt um die begehrten Gold-, Silber- und Bronzemedaillen. Doch nicht nur die auf Skiern oder Kufen erbrachten Höchstleistungen sorgen für Wirbel, auch die Begleitumstände der Olympischen Spiele 2022 in Peking bestimmen allenthalben die Schlagzeilen.

Diskutiert werden aber nicht nur Menschenrechtsverstöße des Gastgeberlandes und das Risiko einer Großveranstaltung während einer Pandemie, sondern ebenso die Nachhaltigkeit des in China ausgetragenen Spektakels – eine ohnehin immer wieder aufgeworfene Frage, sobald das Für und Wider einer Olympiaaustragung abgewägt wird. Doch wie sieht es im konkreten Falle von Peking 2022 aus?

Die Kosten einer Schneeoase

Fast schon triumphal wurde der Meilenstein gefeiert: Peking (amtlich: Beijing) ist die erste Stadt, in der sowohl Sommer- als auch Winterspiele stattfinden. Zwischen den Zeilen zeigt sich hierin jedoch bereits ein Problem des diesjährigen Gastgeberortes, denn dieser ist klimatisch nicht gerade für alpinen Sport prädestiniert – im Gegenteil, bei der Region Peking handelt es sich ausgerechnet um eines der trockensten Gebiete der Erdkugel. Naturschnee? Fehlanzeige.

Mangels meteorologischer Unterstützung müssen die lokalen Organisatoren stattdessen auf chemisch-technische Hilfsmittel zurückgreifen. Fast 200 Schneekanonen laufen schon seit Monaten auf Hochtouren, um mangelnden Niederschlag auszugleichen; die Energiekosten für die Herstellung dieser künstlichen weißen Landschaft sind logischerweise enorm. Monumental sind auch die Wassermassen, die für diesen Zweck benötigt werden. Kilometerlange Leitungen und etliche Pumpanlagen sorgen dafür, dass geschätzte zwei Millionen Kubikmeter Wasser in die Berge befördert werden. Das schadet nicht nur der Umwelt, sondern kann außerdem zu Bodenerosion führen. Neu ist dieses Dilemma nicht – ob Vancouver 2010, Sotschi 2014 oder Pyeongchang 2018, ähnliche Beschwerden gab es auch damals. 2022 wird allerdings das erste Jahr sein, wo ausschließlich Kunstschnee verwendet wird.

Eine Wintersporttradition gibt es in China dementsprechend natürlich nicht. Umso fraglicher ist es daher, inwieweit die aufwändig errichteten Sportanlagen genutzt werden können, sobald das olympische Feuer die chinesische Hauptstadt wieder verlässt. Zumindest nicht alle Wettkampfstätten mussten neu aus dem Boden gestampft werden – sämtliche Eishockeypartien finden in einem Basketballstadion statt, während die Schwimmhallen der Sommerspiele 2008 nun als Schauplatz für Curling-Wettkämpfe dienen. Das lässt sich nicht für Bobbahnen oder Skisprungschanzen sagen: Diese sollen zwar fortan Nachwuchssportlern als Trainingsstätte dienen, doch hierfür muss sich erst die nötige Wintersportkultur langfristig etablieren. Ob das realistisch ist, wird von Skeptikern vehement bezweifelt. Biathlet Erik Lesser schrieb etwa via Instagram: „All das für drei Wochen.“

Die grünsten Olympischen Spiele aller Zeiten – laut Veranstalter

Komplett gegensätzliche Töne schlägt hingegen das Organisationskomitee an. Demzufolge handle es sich hier um die nachhaltigsten Olympischen Spiele aller Zeiten – wieder mal, denn ähnliche Superlative wurden auch bei vergangenen Großveranstaltungen verlautbart. Das Schlagwort CO2-Neutralität hat sich mittlerweile als markiger Idealstandard im allgemeinen Bewusstsein verankert, Peking 2022 ist hier keine Ausnahme. Wie die Veranstalter verkünden, sollen daher 85 Prozent aller Olympia-Fahrzeuge mit Strom oder Wasserstoff betrieben werden; einen noch größeren Beitrag für die angestrebte negative CO2-Bilanz dürfte allerdings das Coronavirus leisten, denn ausländische Zuschauer sind nicht zugelassen, wodurch zigtausende Flugreisen entfallen.

Insgesamt sollen laut eigenen Angaben mehr als 15 Millionen Dollar in Umweltprojekte geflossen sein, hiermit wurden 8800 Hektar an Grünflächen angelegt sowie weltweit 30 Millionen Bäume und Büsche gepflanzt – selbst in Mali oder im Senegal. Herausgestrichen wird zudem: Zum ersten Mal in der Olympia-Geschichte werden sämtliche Austragungsorte ausschließlich mit grünem Strom aus erneuerbaren Energien betrieben, hierfür seien unzählige Solarzellen und Windräder installiert worden. Dabei wird allerdings unterschlagen, dass vor allem Hotels und Wohnungen große Stromfresser sind. Sollte der Ökostrom nicht ausreichen, muss das nationale Elektrizitätsnetz angezapft werden, welches sich größtenteils aus Kohlestrom speist.

Umweltparadies oder Marketingschwindel? Das lässt sich nicht unabhängig überprüfen. Erwiesen ist hingegen, dass die Sportstätten in Yanqing (Ski alpin, Bob, Rodeln, Skeleton) inmitten eines ehemaligen Naturschutzgebiets liegen. Dessen Grenzen laufen seit Neuestem direkt am Wettkampfort vorbei, dafür wurde das Areal praktischerweise kurzerhand umgestaltet. Das ist nicht die einzige fragwürdige Methode, denn für die Anlegung der Skipisten mussten weitläufige Gebiete entwaldet und unzählige Bäume gerodet werden – eine kaum kompensierbare Umweltbelastung.

Ein Blick in die Vergangenheit… und in die Zukunft

Die Olympischen Spiele der Moderne gibt es schon seit 1896, dessen antiken Vorgänger sogar schon seit Jahrtausenden. Doch selbst ein derartig historisches Kultur- und Unterhaltungsgut kann sich nicht vor den Herausforderungen der Zukunft verschließen: Das hat auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) erkannt und folgerichtig entschieden, dass ab 2030 sämtliche Wettbewerbe klimapositiv sein sollen. Das ist auch bitter nötig, denn eine Langzeitstudie stellte fest, dass Olympische Spiele seit 2012 kontinuierlich an Nachhaltigkeit eingebüßt haben.

Einen Schritt in die richtige Richtung machte Olympia 2020 bzw. Olympia 2021 in Tokio: Die pandemiebedingt um ein Jahr verschobenen Olympischen Sommerspiele 2020 gehen nach IOC-Angaben als emissionspositiv in die Geschichtsbücher ein. 2,73 Millionen Tonnen an CO2-Ausstößen stehen Kompensationen von 4,38 Millionen Tonnen gegenüber (etwa durch Aufforstungsprojekte), wenngleich durchaus diskutiert wird, inwiefern eine solche Rechnung akkurat ist. Unzweifelhaft ist hingegen: Ähnlich wie in Peking kam auch in Tokio ein Großteil der Elektrizität aus nachhaltigen Quellen, wie es etwa bei Solarstrom der Fall ist. Hinzu wurden 90 Prozent aller Fahrzeuge mit einem Elektromotor betrieben, die Medaillen sogar aus Elektroschrott produziert.

Zu Olympia gehören allerdings nicht nur der Betrieb, sondern auch die Bauarbeiten zuvor: Gerade diese Ausgaben für die nötige Infrastruktur sind Kritikern weiterhin ein Dorn im Auge, zumal der langfristige Nutzen in vielen Fällen überschaubar ist. Auch in Tokio sollen nur ein halbes Jahr nach dem Ende der Festspiele die Tartanbahnen wieder abgebaut werden. Gerade solche Bedenken sowie Angst vor Umweltverschmutzung hatten bereits in Deutschland dazu geführt, dass die Olympiakandidatur Münchens per Bürgerentscheid ihr Ende fand.

Damit die Effekte von Olympia fortwähren und nicht ein bloßes olympisches Strohfeuer bleiben, müssen also langfristige Nutzungsmöglichkeiten für die hierfür errichteten Anlagen gefunden werden. Wie es funktionieren kann, zeigt das Olympiastadion Berlin, eine seit 1936 vielfrequentierte Wettkampfstätte. Die Betreibergesellschaft hat nun entschieden: In der Zukunft soll dieses seinen Strombedarf selbst decken. Dafür sollen mehr als 1.500 Solarmodule installiert werden.

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