Seit dem Ukraine-Krieg bleiben Gaslieferungen aus Russland aus. Für die deutsche Energiewirtschaft bedeutete dies eine große Umstellung, denn 2021 hatten diese Exporte noch mehr als die Hälfte des nationalen Gasbedarfs gedeckt. Seitdem bemüht sich die Bundesregierung um alternative Wege der Erdgasbeschaffung, beispielsweise durch Lieferungen aus Norwegen oder den Niederlanden.
Eine Kernrolle sollte außerdem dem Einkauf von sogenanntem LNG (Flüssigerdgas) zukommen, hierfür wurden in den letzten anderthalb Jahren große Summen in entsprechende Infrastruktur investiert. Drei LNG-Terminals gibt es mittlerweile – doch welche Rolle nimmt Flüssiggas bisher ein? Erste Daten der Bundesnetzagentur legen nahe: Der Beitrag von LNG noch enttäuschend gering. Der Anteil an den gesamten Gasimporten liegt momentan bei lediglich sechs Prozent.
Flüssigerdgas ist nicht nur eine zusätzliche Alternative zu herkömmlichem Erdgas, sondern kann auch effizienter und kostengünstiger transportiert werden, da hierfür keine Pipelines benötigt werden.
Bei Liquefied Natural Gas (LNG) handelt es sich zwar um Flüssigerdgas (oftmals auch schlichtweg als Flüssiggas bezeichnet), zu Beginn des Produktionsprozesses ist es aber wie herkömmliches Erdgas noch gasförmig. Erst durch Abkühlung auf extrem niedrige Temperaturen wird es schließlich in den flüssigen Aggregatzustand überführt – der Kondensationspunkt von Methan liegt bei -162°C. Da das Erdgas vor der Verflüssigung noch von unerwünschten Bestandteilen wie Stickstoff, Wasser oder Kohlenstoffdioxid gereinigt wird, liegt es in einer Methankonzentration von etwa 98 Prozent vor.
Der mehrstufige Abkühlungsprozess ist nur durch hohen Druck möglich, dabei kommt es dann auch zu einer erheblichen Volumenkompression. Tatsächlich reduziert sich das Volumen um ungefähr das 600-fache! Dadurch muss das verflüssigte Erdgas nicht umständlich über riesige Pipelines durch halb Europa transportiert werden, sondern kann schlichtweg per Container verschickt werden. Dafür werden normalerweise spezielle LNG-Tankschiffe verwendet, wobei ein Landtransport aber theoretisch ebenso möglich ist.
Sobald das LNG am Zielort ankommt, wird es umgehend regasifiziert, d.h., es wird wieder in seine gasförmige Form umgewandelt. In gesonderten Regasifizierungsanlagen wird das LNG stark erwärmt und so wieder in den gasförmigen Aggregatszustand überführt, anschließend kann es an Verbraucher, Industrie und Kraftwerke verteilt werden. Die wichtigsten LNG-Exporteure weltweit sind momentan vor allem die Vereinigten Staaten, Australien, Russland, Malaysia und Katar. Obendrein hat Deutschland ein Lieferabkommen mit Katar abgeschlossen, dieses wird 2026 in Kraft treten. Mindestens fünfzehn Jahre lang sollen dann jährlich zwei Millionen Tonnen LNG nach Deutschland geliefert werden.
Aufgrund der notwendigen Regasifizierung können LNG-Tanker nicht schlichtweg in einem regulären Hafen andocken, stattdessen sind sogenannte LNG-Terminals nötig. Dort wird das verflüssigte Erdgas regasifiziert und kann dann weiterverteilt werden.
Bei solchen Einfuhrterminals muss zudem noch zwischen festen und schwimmenden LNG-Terminals unterschieden werden. Ein festes Flüssiggasterminal befindet sich an Land und ist ein stationäres Gebäude. Anders verhält es sich bei schwimmenden Terminals, diese sind nämlich Spezialschiffe, die in Küstennähe vertäut sind. Von dort werden sie über Pipelines mit der landgestützten Infrastruktur verbunden. Fachsprachlich werden diese Terminalschiffe als FSRUs (Floating Storage and Regasification Units) bezeichnet, denn dort findet auch direkt die Regasifizierung statt.
Bis 2022 gab es in Deutschland überhaupt keine LNG-Terminals. Deswegen wurde Mai 2022 das LNG-Beschleunigungsgesetz verabschiedet, hierdurch sollte der Bau von LNG-Terminals vorangetrieben werden. Das erste schwimmende Terminal wurde dann schließlich zu Jahresende in Wilhelmshaven in Betrieb genommen.
Aktuell gibt es in Deutschland drei LNG-Terminals:
Zukünftig soll es in Wilhelmshaven und Lubmin jeweils ein zweites schwimmendes Terminal geben, als weitere mögliche Standorte sind Rügen und Stade vorgesehen. In Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Stade sind außerdem feste LNG-Terminals in Planung, die jedoch wohl nicht vor 2025 fertiggestellt werden.
Die Einfuhr von Flüssigerdgas war mit großen Hoffnungen verbunden, entsprechend wurde der Ausbau der nötigen Infrastruktur forciert. Der Bund hat hierfür bis 2038 fast 10 Milliarden Euro bereitgestellt, es werden aber bereits höhere Ausgaben befürchtet.
Erste Zahlen der Bundesnetzagentur zeigen hingegen: Bisher haben sich diese Investitionen noch nicht gelohnt, denn aktuell nimmt verflüssigtes Erdgas bei der nationalen Energieversorgung nur eine Nebenrolle ein. Im ersten Halbjahr 2023 wurden insgesamt 526 Terawattstunden (TWh) Erdgas importiert, wobei Norwegen als Hauptlieferant in Erscheinung trat. An den drei LNG-Terminals kamen hingegen nur 33,8 Terawattstunden Gas an, das entspricht einem Importanteil von 6,4 Prozent. Für 21,8 TWh zeichnete sich dabei das Terminal in Wilhelmshaven verantwortlich, das Terminal in Lubmin schlug mit 6,8 TWh zu Buche. In Brunsbüttel wurden 5,2 TWh an Erdgas eingespeist.
Die Importkapazitäten der deutschen LNG-Terminals liegen hingegen bereits jetzt bei mehr als 130 Terawattstunden – eine Zahl, die sich in den nächsten fünf Jahren sogar noch vervierfachen soll. Bisher sind die Terminals also noch weit von einer Vollauslastung entfernt. Angesichts der sich noch im Bau befindlichen Umschlagsplätze kommen deswegen erste Befürchtungen auf, dass hier teure Überkapazitäten für fossile Energie geschaffen werden. Es muss aber auch betont werden, dass es sich bei den derzeitigen Zahlen nur um eine Momentaufnahme handelt. Des Weiteren können LNG-Terminals im Idealfall auch für den Import von klimaneutralem Wasserstoff genutzt werden.
Dennoch mehren sich Zweifel, ob die Mangellage akkurat eingeschätzt wurde, und ob LNG tatsächlich notwendig ist, um die deutsche Gasversorgung sicherzustellen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) urteilt etwa, dass der Bau von stationären, landbasierten LNG-Terminals „weder energiewirtschaftlich notwendig noch klimapolitisch sinnvoll“ sei.
Von Begeisterung für Flüssiggas kann vielerorts also nicht die Rede sein. Widerstand regt sich auch auf Rügen, hier soll im kommenden Winter ein LNG-Terminal in Betrieb genommen werden. Naturschützer und Anwohner fürchten hingegen Umweltverschmutzung sowie erhöhte Lärmbelastung und äußern deswegen lautstark ihre Missbilligung mit dem Vorhaben der Bundesregierung. Ob es tatsächlich zu einer Baugenehmigung kommt, ist derzeit noch offen.