Ende August hat die Bundesnetzagentur in einer Pressemitteilung angekündigt, dass die Netzentgelte in Deutschland ab 2025 neu verteilt werden sollen. In Verteilernetzen mit besonders viel erneuerbarer Stromerzeugung sollen die Haushalte deutlich entlastet werden. Der Präsident der Bundesnetzagentur Klaus Müller kommentierte die Entscheidung folgendermaßen:
„Wir schaffen faire Netzentgelte für die Menschen und Unternehmen, die in Regionen mit einem starken Ausbau der Erneuerbaren Energien leben und wirtschaften. Die Energiewende ist eine Gemeinschaftsaufgabe, und Investitionen in die Netze kommen allen zugute.“
Die Idee dahinter steht schon länger im Raum. Ein Eckpunktepapier wurde bereits im Dezember 2023 und ein Entwurf zur Festlegung im Mai 2024 veröffentlicht.
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Netzentgelte (auch Netznutzungsentgelte) bezeichnen die Preise, die alle Netznutzer an die Netzbetreiber entrichten müssen, wenn sie Strom durch das Stromnetz leiten. Die Kosten werden von den entsprechenden Anschlussnetzbetreibern erhoben und beinhalten die Kosten aller vorgelagerten Netzbetreiber. Die Netzentgelte werden so bezahlt, dass die Betreiber von lokalen Stromnetzen (Verteilnetzbetreiber, VNB) das Geld an die Betreiber der großen Übertragungsnetze (ÜNB) weitergeben. Einfach gesagt: Die Verteilnetzbetreiber zahlen für den Zugang zum Übertragungsnetz. Die Kosten, die auf Haushalten entfallen, werden also von den Verteilnetzbetreibern erhoben und beinhalten auch die Gebühren für das größere Stromnetz. Als Haushalt zahlen Sie also ein Netzentgelt an Ihren lokalen Netzbetreiber. Dieses Entgelt setzt sich normalerweise aus zwei Teilen zusammen: einem Preis für den verbrauchten Strom (Arbeitspreis) und einem Preis für die höchste Leistung, die Sie in Anspruch nehmen (Leistungspreis). Haushalte in Niederspannungsnetzen zahlen häufig einen festen Grundpreis statt eines Leistungspreises. Für Haushaltskunden machen die Netzentgelte normalerweise etwa ein Viertel des gesamten Strompreises aus.
In Deutschland gibt es vier große Übertragungsnetzbetreiber, die sich darum kümmern, dass der Strom von den Kraftwerken in die einzelnen Netzgebiete kommt, und mehr als 800 Verteilnetzbetreiber, die den Strom letztendlich an die Endverbraucher verteilen. Bisher, und besonders seit dem intensiveren Ausbau des Stromnetzes und der erneuerbaren Energien, sind die Netzentgelte je nach Bundesland bzw. nach Netzgebiet unterschiedlich hoch gewesen. In Bundesländern, die viel Strom aus erneuerbaren Energien bereitstellen, haben die Netzbetreiber höhere Netzentgelte veranschlagt. Dort ist das Stromnetz größeren Belastungen ausgesetzt und die Kosten für den Netzausbau waren höher. Die Zusatzkosten wurden regional an die Verbraucher weitergegeben. Besonders betroffen sind die Bundesländer im Norden wie Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern, dort wo die Stromerzeugung aus Windkraft (besonders Off-Shore) einen sehr großen Anteil hat.
Jedes Netzgebiet hat einen eigenen Netzbetreiber, der für die Dauer von maximal 20 Jahren einen Konzessionsvertrag (auch Wegenutzungsvertrag) mit einer Gemeinde abschließt. Somit gibt es innerhalb eines Netzgebietes keine Konkurrenz zwischen Netzbetreibern. Stromnetze sind sogenannte natürliche Monopole, deswegen können sich die Netzentgelte nicht im freien Wettbewerb bilden. Sie müssen also reguliert werden. Das tut die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde. Grundlage hierfür sind die von der Bundesnetzagentur ermittelten Erlösobergrenzen, die sich aus den Kosten für Betrieb, Instandhaltung und Ausbau des Stromnetzes ergeben. Netzbetreiber dürfen durch die Summe der Netzentgelte also nicht mehr verdienen, als die Behörde vorgibt.
Warum sind die Netzentgelte mancherorts allerdings höher, wenn sie eigentlich reguliert werden? Die Höhe der Netzentgelte hängt von mehreren Faktoren ab:
Da in Regionen mit viel Strom aus erneuerbaren Energien Erzeugung und Verbrauch nur selten gleich sind, ist dort auch die Auslastung der Stromnetze höher. Wird zu viel Strom produziert, findet er vielleicht in anderen Regionen Deutschlands Abnehmer. Dafür müsste er aber durch das Stromnetz transportiert werden – unter Umständen sogar bis ans andere Ende des Landes. Das belastet einerseits das Stromnetz und andererseits steigen durch die Volatilität erneuerbare Energien auch die Kosten für das Engpassmanagement. Schließlich lassen sich Verbrauch und Erzeugung nicht mehr punktgenau und rund um die Uhr aufeinander abstimmen. Darunter leidet letztendlich auch die Qualität der Netze. Solche Kosten gehören zu den sogenannten wirtschaftlich nachgewiesenen und betriebsnotwendig anerkannten Netzkosten und sind somit auch relevant für die Bestimmung der Erlösobergrenzen der Netzbetreiber.
Die Erlösobergrenze stellt dar, wie viel jeder Netzbetreiber pro Jahr an Erlösen erwirtschaften darf. Hintergrund des Systems ist, dass die Netzbetreiber dadurch motiviert werden, möglich kosteneffizient zu wirtschaften.
Die Entscheidung der Bundesnetzagentur, für eine gerechtere Verteilung der Netzentgelte zu sorgen, hat zur Folge, dass die Entgelte in Regionen mit hohen Kosten sinken. Im Gegenzug steigen aber die Netzentgelte in den Regionen, in denen sie bisher vergleichsweise niedrig waren. Die Bundesnetzagentur knüpft dafür einen Mechanismus der Stromnetzentgeltverordnung an. Ein Ausgleich bestimmter Netzkosten ist bereits möglich, wird nun aber etwas entbürokratisiert und erweitert. Die betroffenen Regionen mit sehr hohen Netzentgelten werden entlastet, indem die Kosten für alle Stromverbraucher um einen kleinen Betrag ansteigen.
Als erstes hat die Bundesnetzagentur dafür ermittelt, welche Netzbetreiber wegen des Ausbaus erneuerbarer Energie von einer besonderen Kostenbelastung betroffen sind. Schließlich würden dadurch normalerweise die Netzentgelte steigen. Wenn die ans Netz angeschlossene erneuerbare Erzeugungsleistung eines Netzbetreibers einen bestimmten Wert überschreitet, kann ein Teil der Kosten für die Integration erneuerbarer Energie bundesweit verteilt werden. In Deutschland können so insgesamt 178 Netzbetreiber ihre Kosten umwälzen bzw. weiterverteilen.
In 2025 können manche Haushalte in Regionen mit sehr hohen Netzentgelten dadurch sogar Kostensenkungen von mehr als 200 Euro jährlich erfahren. Das ist zum Beispiel im Netzgebiet der WEMAG Netz GmbH in Mecklenburg-Vorpommern der Fall. Dort zahlen Haushaltskunden mit einem Jahresverbrauch von 3.500 kWh aktuell noch ein Netzentgelt von 15,84 Cent pro kWh. 2025 sinkt der Betrag um 38 Prozent auf 9,81 Cent pro kWh. Noch höher ist die Ersparnis beim Netzbetreiber Creos Deutschland GmbH. Ab 2025 zahlen Haushaltskunden dort 13,70 Cent pro kWh weniger als noch 2024. Trotzdem gehören die Entgelte in deren Netzgebiet weiterhin zu den höchsten in ganz Deutschland. Auch trotz der großen Kostensenkung zahlen manche Kunden dieses Netzbetreibers 2025 immer noch fast 20 Cent pro kWh allein für die Netzentgelte.
Die Preiserhöhungen dagegen betragen in vielen Fällen weniger als 1 Cent pro kWh. Nur vereinzelt steigen die Netzentgelte um mehr als 2 Cent pro kWh. Die Bundesnetzagentur dokumentiert die genauen Preisveränderungen auf ihrer Website. Solche Preiserhöhungen sind aber nicht unbedingt und ausschließlich auf den Wälzungsmechanismus zurückzuführen. In 2025 steigen die Übertragungsnetzentgelte für fast alle Verteilernetzbetreiber. Somit würden die Netzentgelte in 2025 ohnehin steigen – teilweise sogar noch drastischer als sie es nun nach der Wälzung tun. Die Preiswälzungen wirken sich nicht aber nicht nur auf Haushaltskunden aus. Wenn große Regionalversorger ihre Netzentgelte senken, profitieren davon auch die kleineren nachgelagerten Netzbetreiber in der Region. Diese zahlen nämlich auch Netzentgelte an die vorgelagerten Versorger und werden durch die niedrigeren Netzentgelte entlastet.
Die Netzentgelte hängen eng mit der Belastung der Stromnetze und dem Netzausbau zusammen. Deswegen lässt sich schwer voraussagen, welchen Weg die Netzkosten in den nächsten Jahren einschlagen werden. Vor allem im Hinblick auf die Bundestagswahl im nächsten Jahr stellt sich schließlich die Frage, ob die nächste Regierung die aktuelle Politik weiterführt oder ob es einen Kurswechsel gibt.
Der bisherigen Entwicklung folgend ist aber seit über 10 Jahren ein steter Anstieg der Netzentgelte sowohl für Haushalts- als auch Gewerbe- und Industriekunden zu erkennen. Während Haushalte 2014 im Durchschnitt noch etwa 6,54 Cent pro kWh für die Netznutzung zahlten, waren es 2019 schon 7,22 Cent pro kWh. 2023 waren es im Durchschnitt 9,35 Cent pro kWh und in diesem Jahr sind die Kosten noch einmal um mehr als zehn Prozent gestiegen. Durch die Reform der Netzentgelte werden Haushalte in Regionen mit besonders hohen Netzentgelten entlastet, dafür zahlen Haushalte bundesweit insgesamt weniger. Das ändert aber nichts daran, dass die notwendigen Netzkosten auf Versorgerseite weiter ansteigen. Steigen die Kosten für den Netzausbau und die Netzbelastung in den nächsten Jahren weiter an, wie es in den letzten Jahren der Fall war, so werden in Zukunft auch die Netzentgelte für Haushalte weiter steigen. Ein Lichtblick aber: Durch die Netzentgeltreform ist die Steigungskurve möglicherweise flacher als in den letzten Jahren. Wie sich die Netzentgelte für Kunden tatsächlich entwickeln, bleibt vorerst noch abzuwarten.