Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, warum Windenergieanlagen manchmal einfach stillstehen, obwohl augenscheinlich ausreichend Wind weht? Stillstehende Windenergieanlagen erzeugen keinen Strom – soweit logisch. Währenddessen können Sie aber davon ausgehen, dass irgendwo anders in Deutschland gerade ein Kohlekraftwerk Strom produziert und dabei CO2 ausstößt. Klingt unlogisch, ist aber die Realität in Deutschland. Alle Hintergründe zu den stillstehenden Windenergieanlagen erfahren Sie hier.
Norddeutschland ist bekannt für seine zahlreichen Windräder. Ob an Land oder auf See – die Windenergieanlagen sind im Norden die größten Stromproduzenten. Der so gewonnene Strom ist erneuerbar und verursacht keine schädlichen Treibhausgasemissionen. Bis 2030 sollen 80 Prozent des in Deutschland erzeugten Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Im Jahr 2023 liegt der Anteil der Erneuerbaren erst bei etwa 59 Prozent. Ein starker Zubau und hohe Erträge aus bestehenden Anlagen sind also objektiv betrachtet wünschenswert.
Das Problem sind allerdings die Netze, die für den Transport des Stroms benötigt werden. Diese sind historisch bedingt darauf ausgelegt, dass in der Nähe der leistungsstarken Übertragungsnetze, die den Strom über lange Strecken durch die gesamte Bundesrepublik transportieren, große Kraftwerke Strom erzeugen und dieser dann weitertransportiert wird. Im Zuge der Energiewende wird aber vermehrt dezentral Strom produziert, zum Beispiel in Wind- oder Solarparks, kleinen Biogasanlagen oder Wasserkraftwerken, worauf die Netze (noch) nicht ausgelegt sind.
Wird nun also besonders viel Strom von Windenergieanlagen in Norddeutschland produziert, weil dort viel Wind weht, können die Netze mit dem eingespeisten Strom überlastet werden. Eine Folge könnten Stromausfälle in ganzen Regionen sein, obwohl eigentlich genug Strom vorhanden wäre. Um Überlastungen vorzubeugen, können die Netzbetreiber die Windenergieanlagen abschalten. Für den Strom, der hätte erzeugt werden können, können die Betreiber nach der aktuellen Gesetzeslage dennoch eine Vergütung verlangen. Jährlich fallen dafür etwa 300 Millionen Euro an. Diese Kosten werden von den Netzbetreibern über die Netznutzungsentgelte auf die Haushalte und Betriebe umgelegt.
Aber nicht nur die Netzbetreiber können die Windräder abschalten – auch die Betreiber selbst können ihre Anlagen vorübergehend vom Netz nehmen. Das kann beispielsweise passieren, wenn wegen eines besonders hohen Strom-Angebots die Preise für Strom an der Energiebörse sinken. Dort können die Preise so stark sinken, dass sie ins Negative gehen. Dann müssen die Betreiber für die Einspeisung ihres Stroms draufzahlen, statt eine Vergütung zu erhalten. Bevor dies passiert, werden die Anlagen in der Regel abgeschaltet.
Die hinkende Anpassung der Netze im Norden hat nicht nur Auswirkungen auf das Voranschreiten der Energiewende, sondern nimmt auch Einfluss auf den Strompreis in Norddeutschland. Wesentlicher Bestandteil des Strompreises ist das Netznutzungsentgelt, das die Versorger für die Nutzung der Netze zum Durchleiten des Stroms zu ihren Kund*innen an die Netzbetreiber entrichten müssen. Diese Kosten werden an die Verbraucher*innen weitergegeben und schlagen sich somit auf der Stromrechnung nieder.
Die Höhe des Netzentgelts richtet sich nach den Kosten, die die Netze in der Region verursachen. Sind also hohe Investitionen nötig, beispielsweise weil die Netze – wie in Norddeutschland – deutlich ausgebaut werden müssen, steigen die Netzentgelte. Dies sorgt für Unmut in der Bevölkerung, denn die Bürger*innen in Norddeutschland zahlen letztlich dafür, dass der Strom, der im Norden produziert wird, in andere Landesteile transportiert werden kann. Dabei könnten die Verbraucher*innen in Norddeutschland den günstigen Strom, der vor der Haustür produziert wird, eigentlich ohne größere Transportwege nutzen.
Politik und Netzbetreiber haben diese Problematik mittlerweile erkannt und sprechen sich immer mehr für eine gerechte Aufteilung der Netzentgelte zwischen Nord und Süd aus. Mehr zu den Novellierungsmöglichkeiten der Netzentgelte lesen Sie hier.